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Alles Markplatz oder was? Stefan Wenzel zur Situation und Wettbewerbsfähigkeit von Marktplätzen






Alles Markplatz oder was?


Die Anzahl an B2C-Markt­plät­zen ist in den letz­ten zwei Jah­ren in der DACH-Regi­on um 40% auf mehr als 200 gestie­gen. Wer nicht auf Markt­plät­zen ver­kauft, ist meis­tens selbst einer. Bei acht der Top zehn deut­schen Online-Händ­lern ist das so, aber auch Luxus-Ein­zel­händ­ler und neu­er­dings sogar Her­stel­ler stei­gen ins Geschäft als Betrei­ber und den Wett­be­werb um Kun­den und Ver­käu­fer ein.

Markt­plät­ze sind die kla­ren Gewin­ner der Digi­ta­li­sie­rung. Sie machen mehr als 50% des deut­schen E‑Commerce aus und füh­ren die Wachs­tums-Charts an. Allein im Jahr 2021 lagen Markt­plät­ze beim Wachs­tum um Fak­tor 2 vor dem klas­si­schen Online-Han­del. Inves­to­ren lie­ben das Modell, wo sonst lässt sich ohne eige­ne Bestän­de und Läger ein veri­ta­bles Han­dels­ge­schäft auf­bau­en? Nicht nur lässt sich der Kun­den­zu­gang aus­kömm­lich ver­mie­ten, auch die gro­ßen Kos­ten­blö­cke in der GuV, wie Lager, Ful­fill­ment oder Wer­bung las­sen sich durch Drit­te gegen­fi­nan­zie­ren. Ama­zon legt auch hier vor und hat letz­tes Jahr mehr Geld von sei­nen Markt­platz-Ver­käu­fern für Wer­bung auf der Platt­form bekom­men als er für sein kom­plet­tes eige­nes Mar­ke­ting aus­ge­ben muss­te.

Das ist zu schön, um wahr zu sein, stimmt aber. Zumin­dest für den glo­ba­len Pri­mus und mit viel Abstand für Tei­le der zwei­ten Liga dahin­ter. War­um Grö­ße so wich­tig ist? Weil Markt­plät­ze ein ‚Winner-takes-most‘-Modell sind, je Kate­go­rie zieht eine klei­ne Hand voll Anbie­ter den Groß­teil des Umsat­zes auf sich. Der Grenz­nut­zen für die User sinkt dra­ma­tisch mit jedem wei­te­ren Markt­platz für die­sel­ben aus­tausch­ba­ren Mar­ken und Pro­duk­te, die Grenz­kos­ten für die Ska­lie­rung stei­gen damit für jeden wei­te­ren Markt­platz-Betrei­ber expo­nen­ti­ell.

Eine hohe Ver­füg­bar­keit von Nach­fra­ge und Ange­bot ist aber von vita­ler Wich­tig­keit für einen Markt­platz. Nur dadurch ent­ste­hen die berühm­ten Netz­werk­ef­fek­te, bei denen der Nut­zen eines Ser­vices durch die Anzahl der Nut­zer steigt. Ein klas­si­sches Hen­ne-Ei-Pro­blem: Ohne Ver­käu­fer und damit Ange­bot kei­ne Käu­fer, ohne Traf­fic und Käu­fer kei­ne Ver­käu­fer, und damit kein Ange­bot. Und genau des­halb ist Markt­platz die Königs­dis­zi­plin im E‑Commerce.

Die Einführung eines Marktplatzes sollte immer nur Mittel zum Zweck sein, nie Zweck selbst. Und sie sollte aus einer Stärke heraus erfolgen. Systeme im Abwärtssog werden damit schwerlich gedreht.

Ein brei­tes Ange­bot ist das eine. Was bei Markt­platz-Stra­te­gien meist fehlt, sind Ansät­ze für neue oder ver­bes­ser­te Kun­den­pro­po­si­tio­nen unter Nut­zung des Markt­platz-Modells und jen­seits eines größt­mög­li­chen Sor­ti­ments. Im Modell allein liegt für Kun­den kein Mehr­wert. Was aber kann die­ser zusätz­li­che Nut­zen sein? Ist es nur die größt­mög­li­che Aus­wahl für end­lo­ses Suchen und Fil­tern oder gibt es eine Kura­ti­ons­leis­tung? Sind es die­sel­ben Mar­ken und Pro­duk­te, die auch auf allen ande­ren Markt­plät­zen zu fin­den sind oder gibt es etwas Beson­de­res? Ist es der bes­te Preis, weil Ver­käu­fer auf dem Markt­platz im Wett­be­werb zuein­an­der ste­hen oder gibt es die­sen Wett­be­werb auf Arti­kel-Ebe­ne gar nicht erst? Ent­ste­hen neue Ser­vices, die jen­seits der drei oder vier Trans­ak­tio­nen pro Jahr zu Inter­ak­ti­on und Akti­vi­tät moti­vie­ren? Oder sind viel­leicht die Ser­vices für die Ver­käu­fer bes­ser als auf ande­ren Platt­for­men? Wie effi­zi­ent ist das Onboar­ding? Wel­che Daten und Ana­ly­se­mög­lich­kei­ten wer­den gebo­ten? Wie trans­pa­rent ist die Per­for­mance des Mar­ke­tings und wie gut sind die Opti­mie­rungs­mög­lich­kei­ten für Wirt­schaft­lich­keit auf Trans­ak­ti­ons­ebe­ne? Die Ein­füh­rung eines Markt­plat­zes soll­te immer nur Mit­tel zum Zweck sein, nie Zweck selbst. Und sie soll­te aus einer Stär­ke her­aus erfol­gen. Sys­te­me im Abwärts­sog wer­den damit schwer­lich gedreht. Mit Käu­fern auf der einen und Ver­käu­fern auf der ande­ren Sei­te bedient ein Markt­platz zwei Ziel­grup­pen, um die es einen inten­si­ven Ver­drän­gungs­wett­be­werb im Markt gibt. Wäh­rend sich der/die CFO an der betriebs­wirt­schaft­li­chen Attrak­ti­vi­tät des Markt­platz-Modells als sol­ches erfreu­en darf, ist es die Auf­ga­be des/der CEO, wert­stif­ten­de und dif­fe­ren­zie­ren­de Ange­bo­te für bei­de Ziel­grup­pen zu ent­wi­ckeln.

Aus der Ver­käu­fer-Sicht lie­gen die Her­aus­for­de­run­gen woan­ders. Für Ver­käu­fer sind Markt­plät­ze Orte, an denen man Umsät­ze und Deckungs­bei­trä­ge gegen Pro­vi­si­on gene­rie­ren kann. Da Ver­käu­fer auf einer Platt­form kei­ne Kun­den­da­ten für eige­nes Mar­ke­ting erhal­ten, zählt die jewei­li­ge Trans­ak­ti­on für die Wirt­schaft­lich­keit. Die Bier­de­ckel-Rech­nung für die­je­ni­gen, die auf Markt­plät­zen posi­ti­ve Deckungs­bei­trä­ge erzie­len möch­ten, ist sim­pel. Waren­kör­be auf Markt­plät­zen beinhal­ten in der Regel nur einen Arti­kel je Ver­käu­fer. Aus der Brut­to-Mar­ge die­ses einen Arti­kels müs­sen min­des­tens die Ful­fill­ment­kos­ten inklu­si­ve Retou­ren sowie 15 bis 25% Kos­ten vom Umsatz für Pro­vi­si­on und Mar­ke­ting gedeckt wer­den. Dar­aus ergibt sich je nach Brut­to-Mar­ge der Min­dest-VK und die maxi­ma­le Retou­ren­quo­te für die Sor­ti­men­tie­rung. Aus die­ser kom­mer­zi­el­len Phy­sik ergibt sich auch, dass Markt­plät­ze vor allem für Her­stel­ler mit vol­ler Brut­to-Mar­ge kom­mer­zi­ell inter­es­sant sind und sich Händ­ler auf Markt­plät­zen ten­den­zi­ell schwer­tun. Sie nut­zen die Platt­for­men eher für ande­re Anwen­dungs­fäl­le wie zum Bei­spiel als Rest­pos­ten-Kanal.

90% aller Verkäufer in Deutschland sind auf Amazon und Ebay, dort sind 90% des Marktplatz-Umsatzes. Jeder weitere Marktplatz muss um neue Partner kämpfen. Markt­plät­ze set­zen beim Ver­käu­fer Res­sour­cen, Know-How und Geduld vor­aus. Die Anbin­dung ist meis­tens kom­pli­zier­ter als ver­spro­chen, der Betrieb oft manu­el­ler als sinn­voll, die Opti­mie­rung ger­ne weni­ger aus­ge­reift als gedacht. Da Res­sour­cen, Know-how und Geduld limi­tiert sind, ist es die Anzahl der Markt­plät­ze für den ein­zel­nen Ver­käu­fer auch. Man sucht sich den bes­ten ‚bang for the buck‘.

So sind 90% aller Ver­käu­fer in Deutsch­land auf Ama­zon und Ebay, dort sind 90% des Markt­platz-Umsat­zes. Jede wei­te­re Platt­form muss um die ver­blei­ben­den Res­sour­cen, um Know-how und Geduld kämp­fen. Ent­schei­dungs­kri­te­ri­en sind Volu­men, Rele­vanz für das eige­ne Geschäft und Ver­träg­lich­keit mit der eige­nen Mar­ke. Wel­cher Markt­platz am bes­ten passt, hängt vom Ver­käu­fer ab. Da aber jeder Markt­platz anders funk­tio­niert und indi­vi­du­ell opti­miert wer­den muss, sei vor Quan­ti­tät gewarnt. In der Regel wird es wirt­schaft­lich erfolg­rei­cher sein, weni­ge, rele­van­te Markt­plät­ze rich­tig zu steu­ern als vie­le nur mit­tel­mä­ßig.

Fazit: Wer Markt­platz sein möch­te, braucht ein dif­fe­ren­zie­ren­des Leis­tungs­ver­spre­chen für Käu­fer und Ver­käu­fer sowie Liqui­di­tät auf bei­den Sei­ten der Markt­platz-Glei­chung – das ist weni­gen Gro­ßen vor­ent­hal­ten oder denen mit ent­spre­chen­den Finanz­mit­teln. In der Dif­fe­ren­zie­rung und Spe­zia­li­sie­rung lie­gen Chan­cen (das gilt aber auch immer noch genau­so jen­seits des Markt­platz-Modells). Wer erfolg­rei­cher Ver­käu­fer sein möch­te, braucht eben­so ein dif­fe­ren­zie­ren­des Leis­tungs­ver­spre­chen sowie eine fokus­sier­te Markt­platz-Stra­te­gie – von der Aus­wahl und Anzahl an Platt­for­men über Daten, Pro­zes­se und Infra­struk­tur bis Ana­ly­se und Steue­rung. Wer im eige­nen Kun­den­stamm ein stra­te­gi­sches Asset sieht, der braucht als Ver­käu­fer eine kom­ple­men­tä­re D2C-Stra­te­gie. Ein dif­fe­ren­zie­ren­des Leis­tungs­ver­spre­chen macht auch eine D2C-Mis­si­on erfolgs­wahr­schein­li­cher, das also lohnt sich so oder so.


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